Peter Büttner, Vorsitzender des OV Würzburg, hat uns über seine Erfahrungen im Kompetenzzentrum Rummelsberg berichtet.
„Knie im Arsch, was nun …?“
Seit vier Jahren klemmt in meinem Knie des Öfteren der Meniskus ein. Durch eine durch Zufall „entdeckte“ spezielle Drehbewegung des Beines, bzw. des Unterschenkels, habe ich es jedes Mal nach wenigen Minuten wieder hinbekommen, den Meniskus zu lösen. Die starken Schmerzen waren sofort weg.
In der chirurgischen Praxis, in der vor 29 Jahren mein Kreuzband im anderen Knie super toll operiert wurde, hätte Ende November nun mein „kaputter“ Meniskus operiert werden sollen.
Die Prä-OP sollte der Hausarzt machen (Blutabnehmen, EKG etc.). Das Bein sollte zu Hause selbst rasiert und die OP normalerweise ambulant durchgeführt werden.
D.h. nach der OP mit Drainageschlauch 55 Km heimfahren, am nächsten Tag wieder kommen zum Schlauchziehen und zwei Wochen später nochmal zur Nachuntersuchung. Um sofortige Physio muss man sich selbst kümmern. (Anm. fünf Physiopraxen hätten frühestens ab Januar Kapazitäten frei gehabt).
Da stellt man sich natürlich die Frage, wer rasiert das Bein zu Hause, wer fährt einen zur Physio, falls man überhaupt eine Praxis findet. Beinrasieren und Verbandwechsel hätte meine Frau gemacht. Aber zur Physio fahren wäre nicht gegangen, weil meine Frau berufstätig (Krankenschwester) ist. Da stellt sich mir die Frage, wie würde es bei Contergangeschädigten mit ähnlichen Armen (beidseits 14 cm) laufen, die alleinstehend sind?
Deshalb meine telefonische Anfrage, wie im Krankenhaus Rummelsberg so ein Fall gehandhabt wird. Nach zwei sehr angenehmen Telefongesprächen, mit dem Leiter des Conterganzentrums, Herrn Dr. Kerling (Neurologe) und mit dem leitenden Orthopäden des Zentrums, Herrn Dr. Schlemmer, war vereinbart die Klinik zu besuchen, um sich ein Bild über die Einrichtung zu machen.
Doch es kam alles anders….
Ein Tag nach den erwähnten Telefongesprächen (Samstag), ist der Meniskus wieder eingeklemmt. Trotz aller Bemühungen habe ich ihn diesmal nicht mehr lösen können. Quasi der super Gau.
In meiner Not habe ich sonntags Herrn Dr. Schlemmer per E-Mail über dieses Dilemma informiert, in der Hoffnung eine zeitnahe „Rettung“ zu finden, denn in den Krankenhäusern in Würzburg war es aussichtslos an einen raschen OP-Termin zu gelangen.
Bereits am Montagmorgen hat mich Herr Dr. Schlemmer telefonisch darüber informiert, mich am Mittwoch operieren zu können. Stationäre Aufnahme auf der Querschnitt-Station inkl. Prä-OP bereits am Dienstag um 8:00 Uhr. Zur Querschnitt-Station komme ich am Ende des Berichts nochmal zurück.
Mittwochvormittag die Arthroskopie am Knie, Donnerstag früh Ziehen des Drainageschlauches und unmittelbar danach, das Gehen ohne Krücken mit einer 100%igen Belastung auf dem operierten Bein. Zwei Stunden später die erste Physiobehandlung. Freitag Vormittag nochmal Physio und danach Entlassung.
Schmerzfrei habe ich mir am Donnerstag und Freitag guten Fußes das gesamte Krankenhaus mit all seinen Abteilungen angeschaut. Schnell habe ich festgestellt, dass diese Einrichtung sich zu Recht Contergan Kompetenzzentrum nennen kann. Die Klinik ist spezialisiert auf Knie, Sprunggelenk, Hüfte, Skoliose und Querschnitt. Ebenso auf Kinderorthopädie und Kinder mit geistiger Behinderung. Gleichzeitig gibt es ein MZEB
(Medizinische Einrichtung für erwachsene Menschen mit Behinderung). In meinen Augen, genau das, was wir Contergangeschädigte brauchen.
Von meiner Seite aus kann ich diese Einrichtung nur empfehlen!
So und nun zur Querschnitt-Station.
Das Querschnittzentrum wurde vor einigen Jahren dort eingerichtet. Auf der Station befinden sich max. 36 Querschnittspatienten und aufgrund des enorm hohen Pflegeaufwandes auch mehr Pflegepersonal als sonst üblich. Auf dieser Station werden in Kürze Patientenzimmer mit Dusch-WCs und anderen für Contergangeschädigte hilfreiche Utensilien eingerichtet. Somit soll contergangeschädigten Patienten der stationäre Aufenthalt erleichtert werden. Der höhere Pflegeschlüssel auf dieser Station und die fachliche Kompetenz des stets sehr freundlichen Pflegepersonals in Bezug auf das Pflegen äußerst pflegeintensiver Patienten, kommt uns natürlich sehr gelegen, denn das modernste Dusch-WC nutzt wenig, wenn ich frisch operiert das Bett nicht verlassen darf/kann. Ich persönlich finde die Entscheidung, Contergangeschädigte auf dieser Station unterzubringen, noch aus einem ganz anderen Grund von Vorteil. Denn dem Einen oder Anderen wird so durch klar, dass Contergangeschädigte nicht die Ärmsten der Armen sind, so wie es oftmals dargestellt wird.
Meine Schilderung über meine Knie-OP ist nun etwas umfangreicher ausgefallen als gewollt, aber vielleicht hilft es ja manchen, wenn die nächste OP ansteht.
Viele Grüße
Peter Büttner